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subota, 17. rujna 2016.

Geschichte Russlands

Die Geschichte Russlands bietet einen Überblick über die Vorgeschichte, Entstehung und den zeitlichen Verlauf des russischen Staates.[1]

Ausgehend von der frühesten Besiedlung des heutigen russischen Territoriums seit der Altsteinzeit, beschäftigt sich dieser Artikel mit der Entstehung des Reichs von Kiew (von 980 bis 1240), der Kiewer Rus, des ersten ostslawischen Großreiches, das sich im 10. Jahrhundert formierte, durch die Annahme des Christentum von Byzanz her (988/89) in die christliche Ökumene eintrat und schließlich dem Mongolensturm zum Opfer fiel. Aus dem Konglomerat ostslawischer Teilfürstentümer, die der Zusammenbruch des Reiches von Kiew hinterließ, folgte die Zeit der Nachfolgereiche (im Westen von der Mitte des 13. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, im Osten bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts).[2] Im Zusammenwirken mit der Herrschaft der Tataren führte dies im Verlauf der russischen Geschichte zu einer jahrhundertelangen Entfremdung gegenüber dem Rest des westlichen Kulturkreises.

Mit der zunehmenden Zersetzung der tatarischen Herrschaft und der gleichzeitigen inneren und äußeren Konsolidierung der nordöstlichen Rus rund um das Großfürstentum Moskau begann – durch die räumliche Struktur begünstigt – eine territoriale Expansion, die die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat. Einer Phase der inneren Zerrüttung, der sogenannten Smuta, am Anfang des 17. Jahrhunderts, folgte mit Zar Peter I. ein Herrscher, der mit den Petrinischen Reformen das seit 1721 imperiale Russische Reich wieder an das restliche Europa heranführte und modernisierte. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts festigte das Russische Reich seinen Anfang des Jahrhunderts erworbenen Großmachtstatus, baute ihn weiter aus. Durch die schnelle räumliche Ausdehnung zu dieser Zeit eilten die staatlichen Aufgaben jedoch dem realen Sozialprodukt davon, so dass die Regierung die für die innere Entwicklung benötigten Mittel anderweitig einsetzen musste. Nach der Niederlage der Grande Armée unter Napoleon im Russlandfeldzug 1812 festigte das Russische Reich bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Vorherrschaft auf dem europäischen Festland. Aufgrund der festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen wie der Autokratie und der Leibeigenschaft konnte das agrarisch geprägte Reich jedoch mit den sich rasant entwickelnden Industriestaaten immer weniger Schritt halten, bis schließlich der Krimkrieg die Diskrepanz offenlegte und eine Phase der inneren Reformen anschob.

Die Reformen beschleunigten Russlands wirtschaftliche Entwicklung, doch das Land wurde immer wieder von inneren Unruhen destabilisiert, da die politischen Veränderungen nicht weitreichend genug waren und große Teile der Bevölkerung ausgeklammert wurden. Durch die Februar- und Oktoberrevolution im Jahre 1917 während des Ersten Weltkriegs wurde die Zarenherrschaft über Russland beendet und in der Folge die sozialistische Sowjetunion gegründet, die bis 1991 Bestand hatte. Nach ihrer Auflösung ging die Russische Föderation durch einen schwierigen Transformationsprozess, der zunächst große Einbrüche sowohl beim nationalen BIP als auch bei der wirtschaftlichen Situation vieler Menschen verursachte. Darauf folgte ab dem Jahr 2000 ein von der Weltkonjunktur begünstigter Aufschwung.



Topografie von Russland
Endlose Weiten und die Einförmigkeit riesiger Ebenen kennzeichnen den Raum. Im Süden und Südwesten begrenzen Gebirge (Kaukasus und Karpaten) das osteuropäische Tafelland. Die Küsten im Norden (Weißes Meer) und im Süden sind schwach gegliedert. Im Süden erreicht das europäische Flachland lediglich Binnenmeere (Schwarzes Meer und Kaspisches Meer). Nach Westen und Osten ist das osteuropäische Flachland offen. Weder die westlichen Sumpfgebiete (Pripjetsümpfe) noch der Ural sind eigentliche Verkehrshindernisse. Westsibirien stellt eine kontinentale Fortsetzung des europäischen Russlands dar. Eine Grenze verläuft am Rand des gebirgigen Mittel- und Ostsibirien. Da keine west-östlichen Gebirge den osteuropäischen Tieflandsraum gliedern, reicht die Polarluft mitunter bis tief in den Süden ohne aufgehalten zu werden. Naturräumlich begrenzen die klimatischen Bedingungen die menschliche Besiedlung. Fast die Hälfte der Böden ist ständig gefroren oder taut nur an wenigen Tagen im Jahr auf. Durch die offenen und wenig Schutz bietenden Grenzen wurden die Menschen in diesen Gebieten häufig von äußeren Einfällen gefährdet (vgl. auch Russische Großlandschaften).

Auf dem riesigen Gebiet Russlands sind Menschen seit etwa 100.000 Jahren nachgewiesen. Die Besiedlung verdichtete sich ab 35.000 v. Chr. in den weiträumigen Flussgebieten und klimatisch begünstigten Zonen. Die Jäger und Sammler wohnten in hütten- und zeltartigen Behausungen und Höhlen. Mit ihren Steinwaffen jagten sie vor allem das Mammut. Der Übergang zu einer bäuerlichen Kultur vollzog sich in einigen Gegenden seit dem 6. Jahrtausend v. Chr. Sehr früh, verstärkt seit dem 3. Jahrtausend v. Chr., wurden Pferde gezähmt und gezüchtet. Die Menschen der Kurgan-Kultur, die sich von der unteren Wolga und dem Dnepr-Becken ausbreiteten, nutzten das Tier zum Reiten und zum Wagenziehen. Viele Nomadenstämme durchzogen die weiten Steppen Russlands nun mit ihren Pferden.

Seit dem 12. Jahrhundert drangen immer wieder vom Kaukasus aus kriegerische Reiternomaden in die Steppen Russlands vor, unter anderem von Skythen und Sarmaten, und bildeten zum Teil frühe Großreiche. Eine genaue stammesmäßige Gliederung lässt sich für die Zeit nicht aufschlüsseln. Ein erstes Königtum der Skythen bildete sich im 7. Jahrhundert v. Chr. im heutigen Aserbaidschan heraus, ein zweites im 6. Jahrhundert v. Chr. am Nordrand des Schwarzen Meeres und in der Waldsteppe. Im 7. Jahrhundert v. Chr. stießen die Griechen im Zuge ihrer Kolonisationsbewegung auch in das Schwarze Meer vor und gründeten an der Südküste der Krim und am Bug und Dnepr Städte. Diese Griechenstädte waren für die nördlichen Nachbarn von großer Bedeutung. Sie blieben nach dem Sturm der Völkerwanderung wichtige politische und wirtschaftliche Stützpunkte des Byzantinischen Reiches, über die ein reger Handelsverkehr zu den nördlichen Nachbarn abgewickelt wurde (vgl. Chersones).[3] Sprachgeschichtlich lässt sich auch noch keine Dominanz des Slawischen feststellen.[4] Nach 500 v. Chr. bildeten sich anscheinend festere Gemeinschaften heraus. Nördlicher von ihnen waren in der Waldzone Finno-ugrische Völker, die nach Westen stießen, und Balten beheimatet.


Gebiete der Ostslawen (dunkelgrün) im 7. und 8. Jahrhundert
Slawen waren ursprünglich am mittleren Dnepr, nördlich von Kiew fassbar. Die Herkunft des Namens ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Zumindest teilweise befanden sie sich in Abhängigkeit vom Gotenreich. Nach dessen Zerschlagung setzte eine Wanderungsbewegung auch nach Norden und Nord-Osten ein. Die slawischen Stämme, die sich unmittelbar auf dem Gebiet des heutigen Russlands niederließen, waren Ilmenslawen, Kriwitschen, Wjatitschen und Sewerjanen. Sie durchbrachen den Siedlungsgürtel der Balten und finno-ugrischen Stämme und kolonisierten die Waldgegenden um den Ilmensee. Gegenüber den slawischen Stämmen die nach Westen vordrangen begann sich bis Ende des 10. Jahrhunderts eine gemeinsame ostslawische Sprache herauszubilden.[5] Ein Teil der Slawen geriet unter die Oberherrschaft des Chazarenreiches, das Ende des 5. Jahrhunderts zwischen unterer Wolga und Don entstanden war. Es umschloss sehr verschiedene ethnische Elemente (u. a. Magyaren oder Alanen). Die Chazaren, türkischer Herkunft, bildeten nur eine Minderheit, stellten aber die Herrschaftselite.

Zwischen 552 und 745 befand sich auf einem Teil vom heutigen Territorium Russlands das Alte Großbulgarische Reich. Um 654 teilte sich Großbulgarien in drei Teile auf. Vom 10. bis zum 14. Jahrhundert gehörte das Land zwischen Wolga und Kama zum Reich der Wolgabulgaren.

Die ostslawischen Stämme des 9. Jahrhunderts befanden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Die Poljanen am Dnepr um Kiew sowie die Drewljanen hatten sich zu festeren Verbänden unter Fürsten zusammengeschlossen. Für die anderen Stämme fehlen solche Hinweise. Die verschiedenen Stämme trugen ihre Namen nach landschaftlichen Begebenheiten und waren untereinander eng verwandt. Eine genaue Abgrenzung der Siedlungsgebiete der Stämme ist nicht möglich.

Allgemein waren die Ostslawen sesshafte Ackerbauern und Viehzüchter. Aufgrund des kühlen Kontinentalklimas und den wenigen ertragreichen Böden (die fruchtbare Schwarzerdregion lag im südlicheren Steppengebiet), damit einhergehenden periodischen Missernten und Hungersnöten, wurde der traditionelle Lebensraum der Russen der Wald. Holz war bis ins 20. Jahrhundert das wichtigste Bau- und Brennmaterial. Die Waldgewerbe sowie die Waldbienenzucht oder die Jagd stellten lange Zeit bedeutende Wirtschaftszweige dar. Wachs und Pelze und andere Waldprodukte bildeten für viele Jahrhunderte die wichtigsten Exportgüter Russlands.[6] Wald und Sümpfe behinderten den Verkehr, der deshalb in der Regel über die Flüsse ging. Das Land war aber nur inselhaft besiedelt. Nur von Orten, die an großen Verkehrswegen lagen, war daher eine herrschaftliche Erschließung möglich. Diese Orte bildeten Kiew am Dnepr, Weliki Nowgorod an der Einmündung des Wolchow aus dem Ilmensee und Alt-Ladoga an der Einmündung des Volchow in den Ladogasee.[7]

Kiewer Periode (882–1240)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
→ Hauptartikel: Kiewer Rus
Der älteste ostslawische Staat in der Geschichte war die Kiewer Rus. Er entstand in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts. In ihm bildete sich eine einheitliche altrussische Völkerschaft heraus, auf deren Grundlage sich in der Folgezeit das russische, das ukrainische und das weißrussische Volk formierten. Dieser alte russische Staat bestand über drei Jahrhunderte. Nach dem Tod des letzten Großfürsten von Kiew zerbrach er 1132 in mehrere unabhängige Fürstentümer. Damit begann eine Zeit feudaler Zersplitterung, die schon bald zum Verlust der politischen Unabhängigkeit der russischen Länder beitragen sollte. In den 1220er Jahren kam es zu einem ersten Zusammenstoß mit den Mongolen, als die mongolischen Generäle Jebe und Subutai auf ihrem Rückzug in die Mongolei die Russen in der Schlacht an der Kalka vernichtend schlugen. Weiter kam es zu Plünderungen russischer Städte.[8]

Aufstieg und Blüte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ausdehnung der Kiewer Rus um ca. 1000:
Das russische Land erstreckte sich über riesige Weiten von den linken Nebenflüssen der Weichsel bis zu den Vorläufern des Kaukasus, von Taman und dem Niederlauf der Donau bis zu der Küste des Finnischen Meerbusens und des Ladogasees.
Der erste mittelalterliche Staat auf dem Boden des späteren Russland war die normannisch-skandinavische Herrschaft über eine slawische Bevölkerung, vor allem entlang eines Handelsweges, der Skandinavien mit dem Byzantinischen Reich (Weg von den Warägern zu den Griechen) verband. Bedingt durch die Schwäche des Chasarenreiches und den damit zusammenhängenden Rückgang des Wolga-Handels gewann dieser Weg im Frühmittelalter ab der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts zunehmend an Bedeutung. Hier lagen Weliki Nowgorod und Kiew als die ersten Zentren. Das Herrschaftsgebiet der hier siedelnden ostslawischen Stämme wird als die „Rus“ bezeichnet. Das Wort „Rus“ (russisch Русь) leitet sich vermutlich von einem Warägerstamm ab, der aus Schweden stammte (vgl. finnisch: „Ruotsi“ für Schweden[9]). Die Waräger waren skandinavische Männerbünde mit kaufmännischen Interessen, die als Schwurgemeinschaften zusammengehalten wurden. Sie benutzten das Flusssystem Russlands als Handelsrouten. Um genügend Pelze und Sklaven zu bekommen, benötigten die Waräger weite Räume. Daher dehnten Sie sich zugleich nach Süden und Osten aus. Daher wurde das Handelssystem umfassender. Um ihre Handelswege abzusichern, errichteten sie von der Ostsee über die Düna und Dnepr ein Stützpunktsystem. Hier trafen sie auf die organisatorischen Strukturen der Ostslawen, Wolgabulgaren und Chasaren. So trafen sie auch auf Kiew und fassten dort 839 Fuß. Kiew war ein bedeutender Handelsplatz mit weiträumigen Verbindungen bis nach Spanien und Bagdad. Abnahmeprodukte waren Honig, Wachs, Pelze und Sklaven. Da die Kiewer Handelsrouten immer gefährlicher wurden, übernahmen die kriegerischen Kaufleute der Waräger diesen Platz. Sie übernahmen Kultur, Lebensweise und Organisationsformen und entwickelten schrittweise festere Organisationsformen.[10] Durch den hauptsächlich auf Konstantinopel ausgerichteten Handel kam es, trotz anfänglicher Eroberungsversuche seitens der Rus (vgl. u. a. Belagerung von Konstantinopel (860)), in der Folgezeit zu engen Kontakten mit Byzanz.

Auch im Norden, um Alt-Ladoga, setzten sich die Waräger 862 durch. Verschiedene Chroniken (u. a. Nestorchronik) besagen, dass die Slawen die Waräger dort zu sich riefen, damit diese ihre Stammesfehden beendeten.[11] Stammesvater dieser warägischen Herrschaft im Norden wurde Rjurik in Nowgorod. Rjuriks Nachfolger Igor (878–893) eroberte 882 auch Kiew, wo sich ja bereits eine Warägerherrschaft gebildet hatte. Igor machte Kiew zu seiner Residenz, und unterwarf die benachbarten ostslawischen Stämme. Die in Russland ansässigen Skandinavier waren bis zum Ende des 10. Jahrhunderts vollständig slawisiert. Bald schon wurde „die Rus“ zur Bezeichnung der Bewohner dieses Bereiches unabhängig von ihrer Stammeszugehörigkeit.[12] So übertrug sich der Name von den Eingewanderten skandinavischen Führungsschicht auf die Alteingesessenen. Mindestens acht politische Einheiten wirkten neben den alteingessenen slawischen Völkern wie Poljanen und Drewlanen an der Bildung und Konsolidierung des russischen Staates mit: serbische, finnische und litauische Stämme, die Waräger und Kasaren, die Bulgaren an der Wolga, die byzantinischen Griechen als Missionare und Araber als Vermittler zwischen Europa und Asien im internationalen Handel. Diese Entwicklung war in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts abgeschlossen. Dieses Kiewer Reich kann aufgrund der Vielzahl der Nationalitäten daher als erster Großstaat der ostslawischen Geschichte gelten und gelangte in der Folgezeit zu hoher Blüte. So entstand zur ersten Jahrtausendwende aus der Verschmelzung von Skandinaviern und Ostslawen mit byzantinischer Kultur und Religion die Bevölkerung der Kiewer Rus, aus der später Russen, Ukrainer und Weißrussen hervorgegangen sind.

Die Kiewer Herrscher Oleg und Swjatoslaw I. führten mehrere Kriege gegen das südlich anliegende Kasarenreich, oft mit byzantinischer Unterstützung. In den 960er Jahren gelang es Swjatoslaw mit Hilfe der Petschenegen schließlich, die Macht des Kasarenreichs zu brechen. Dadurch dehnte Swjatoslaw den Einfluss der Kiewer Rus bis an den Don und an die Ostküste des Asowschen Meeres aus.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche beeinflusste alle Lebensbereiche. Unmittelbare weltliche Macht wie in Westeuropa gewann die Kirche aber nicht. Die Bischöfe und Äbte wurden keine Reichsfürsten. Dennoch war insbesondere die hohe Geistlichkeit eng mit der Politik verbunden.[13]
Unter Vladimir dem Heiligen wurde das Christentum 988/989 zur Staatsreligion erhoben und die Kiewer Bevölkerung in Massentaufen bekehrt. Bereits seine Großmutter, Fürstin Olga (893–924) hatte sich als erste Herrscherin aus der riurikidischen Dynastie taufen lassen, konnte den christlichen Glauben im Reich aber noch nicht durchsetzten. Vladimir ordnete sich dadurch nicht dem byzantinischen Reich unter, sondern half dem Kaiser mit Truppen aus militärischer Bedrängnis und heiratete dessen Schwester, wodurch man ihm Gleichrangigkeit symbolisierte und ihn in die „Familie der Könige“ aufnahm. In 35 Jahren, bis 1015, war das gesamte, bis dahin heidnische Russland bekehrt. Dies führte dazu, dass die Missionare nach dem Tod von Vladimir diesem den Beinamen Zar gaben. Die Annahme des byzantinischen Christentums verschloss zugleich Russland eine kulturelle Beziehung zum römischen Christentum. Denn Byzanz betrieb zu dieser Zeit seine Kirchenpolitik im bewussten Gegensatz zu Rom und vermittelte den Ostslawen bei ihrer Bekehrung antirömische Tendenzen.[14] Die Kirche Kiews wurde als Teilkirche des Patriarchates von Konstantinopel zunächst von Exarchen verwaltet, was keine Auswirkungen auf die politische Selbständigkeit der Kiewer Großfürsten hatte. Die Orthodoxe Kirche und ihre Werte bildete zukünftig eine tragende gesellschaftliche Säule des russischen Reiches.

Der russische Adel (die Bojaren) war die politische Führungsschicht des Reiches. Im Unterschied zu Westeuropa belohnte der Fürst seine Gefolgsleute nicht mit einem Gut, über das sie auf Lebenszeit verfügen konnten. Aus der Gefolgschaft entwickelte sich kein Lehnswesen, das Verhältnis blieb individualisiert. Wenn auch Bojaren oft gegen Fürsten vorgingen und deren Macht zu begrenzen versuchten, bildeten sie keine Gegenmacht in Form eines Adelsstandes aus.[15]
In dieser Periode gab es keinen prinzipiellen Unterschied zwischen Russland und Westeuropa.[16] Der russisch-warägische Staat entwickelte sich politisch und wirtschaftlich innerhalb der romanisch–germanischen Völkerkonglomeration Europas. Die Großfürsten von Kiew standen mindestens bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts in engem Kontakt zu ihrem Mutterland Schweden und zum skandinavischen Norden. Die freundschaftlichen Beziehungen Russlands zu westeuropäischen Staaten entwickelten sich besonders Anfang des 11. Jahrhunderts unter der Herrschaft Jaroslaws I. (1019–1044), dessen 40-jährige Regierungszeit ein friedliches Diplomatiesystem auf Grundlage weitverzweigter Eheverbindungen mit dem Herrscherhaus hervorbrachte. Als Folge dieser Politik waren die Fürsten von Kiew im 11. Jahrhundert verwandt mit den Herrscherhäusern in Norwegen, Schweden, Frankreich, England, Polen, Ungarn, dem Byzantinischen Reich und dem Heiligen Römischen Reich. Unter Jaroslaw dem Weisen erreichte die Kiewer Rus eine Blütezeit und den Höhepunkt ihrer Macht. Er schaffte es seine Herrschaft zu festigen, wichtige Verkehrswege zu erschließen und die Tributherrschaft Kiews auszudehnen. Er ließ im ganzen Reich nach byzantinischem Vorbild viele Kirchen, Klöster, Schreibschulen und Festungsanlagen errichten, reformierte die ostslawische Gesetzgebung, hielt sie erstmals schriftlich fest (Russkaja Prawda) und gründete in Kiew die erste ostslawische Bibliothek.

Teilfürstlicher Partikularismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Von der Mitte des 11. Jahrhunderts an kam es im Kiewer Reich zu vielen Veränderungen, die schrittweise den Niedergang des Reiches einleiteten. Kiew konnte zwar seine Stellung als bedeutender Handelsplatz behalten, aber das Reich zerfiel zunehmend in kleinere Fürstentümer.

Das Kiewer Reich war ähnlich wie das Heilige Römische Reich kein einheitlicher Staat, sondern bestand aus einer Vielzahl von autonomen Teilfürstentümern, die von den Rurikiden regiert wurden. Einer von Ihnen erbte jeweils die Großfürstenwürde und zog zum Regieren nach Kiew um. Das Kiewer Reich kannte keine stabile und unbestrittene Thronfolgeordnung. Das Reich war in einzelne souveräne Fürstentümer aufgeteilt, denen ein Großfürst übergeordnet war. Dabei gab es keine schriftlich fixierte Ordnung der Thronfolge als stabilisierendes Element für den kritischen Moment des Todes des Herrschers. Vielmehr folgte man dem Senioratsprinzip. Dabei galt immer eine Regel: Der Herrscher musste der Dynastie der Rurikiden entstammen. Entscheidend bei dem Gedanken der russischen Thronfolgeordnung war die Gleichheit der einzelnen Fürsten. Die Fürsten bezeichneten sich gegenseitig als „Brüder“. Schließlich stuften sie die Beziehung zueinander durch den Zusatz „älterer“ oder „jüngerer“ ab, wobei nicht unbedingt das tatsächliche Altersverhältnis wiedergegeben wurde, sondern vielmehr das Rangverhältnis. So konnte ein „älterer Bruder“ jünger sein als sein „jüngerer Bruder“ und in der Thronfolge weiter oben stehen, da sich die Abstufung am Senioratsprinzip orientierte. Bei dem Seniorat handelte es sich um das erste beständige Thronfolgesystem. Bedingung war, dass nicht wie bei der Primogenitur der älteste Sohn den Thron erbt sondern der nächstfolgende Bruder, der zuvor schon ein anderes Teilfürstentum regierte. Erst wenn die regierende Generation keinen Thronfolger mehr stellen konnte, folgte die Generation der Söhne nach. Beim Tod eines Fürsten bildete sich unter den Brüdern ein Nachrückverfahren aus, das bis 1169 zu einem Residenzwechsel der Brüder und Söhne führte. Das heißt, der jüngere Bruder des Großfürsten von Kiew übernahm dessen Thron, dann der nächstfolgende Bruder und wenn der nicht vorhanden war, der älteste Sohn. Die Großfürstenwürde war also keineswegs in einem Haus erblich, sondern wurde nach dem Gesichtspunkt des Altersvorranges in der Dynastie vergeben.[17]

Die russischen Städte bildeten im Unterschied zu Westeuropa keine Stadtbürgergemeinden, die sich gegenüber dem Land rechtlich abgrenzten. Auch die Bauern konnten sich am Stadtleben beteiligen. Zwischen Stadt und Land kristallisierte sich keine scharfe Arbeitsteilung. Bis gegen Ende des 18. Jhs. blieben die Grenzen zwischen Stadt und Land fließend, auch rechtlich gab es kaum Unterschiede.
Als im 11. Jahrhundert der Reiterstamm der Polowzer Kiew bedrohte und das Umland verwüstete, zog die slawische Bevölkerung vom Süden des Kiewer Landes in die Waldzone im Norden oder westwärts zu den Ebenen Galiziens und dem Hügelland am Fuße des Karpatengebirges. Dadurch entstanden Siedlungen, die zu neuen Zentren aufstiegen: die nördlich und östlich gelegene reiche Kaufmannsstadt Nowgorod, Galiziens Hauptstadt Halytsch im äußersten Südwesten und die Städte Wladimir, Rostow und Susdal. Nowgorod selber wurde zu einer einflussreichen Kaufmannsrepublik mit einem Hansekontor. Nur kurzfristig konnte Wladimir Monomach (Regierungszeit 1113–1125) die Einheit des Reiches wiederherstellen. Meist durch militärischen Druck und die Einsetzung seiner Söhne als Territorialfürsten band er die Teilfürstentümer wieder stärker an das Zentrum Kiew. Er setzte sich für die rasche Beendigung der blutigen Fehden zwischen den Fürsten und für ein gemeinsames Vorgehen gegen die Polowzer ein. Diese Auffassung suchte Wladimir auf mehreren Fürstentagen (1097, 1100, 1103) durchzusetzen. Nach der Zusammenkunft von Dolobsk 1103 gelang es Wladimir Monomach und den mit ihm verbündeten russischen Fürsten, den Polowzern im Gefolge mehrerer Kriegszüge (1103, 1107, 1111) empfindliche Niederlagen beizubringen und die von dem kriegerischen Nomadenvolk ausgehende Gefahr vom russischen Lande abzuwenden.

Die zunehmende politische und wirtschaftliche Selbständigkeit der Städte und die Zwistigkeiten zwischen den feudalen Herrschern verursachten aber eine zunehmende Entfremdung, die rasch nach seinem Tod ab 1132 zum Zerfall der Kiewer Rus durch fortwährende Erbfolgekämpfe um den Großfürstentitel führte. So wurde Kiew 1169 durch Fürst Andrei Bogoljubski von Wladimir-Susdal erobert. Statt sich dort niederzulassen, nahm er den bis dahin an Kiew gebundenen Großfürstentitel mit nach Norden in seine neue Residenz bei Wladimir. Damit setzte sich der Zerfall des Kiewer Reichs fort. Die größten Staaten, die sich nach dem Niedergang von Kiew abgesondert hatten, waren neben dem Fürstentum Kiew, das Fürstentum Tschernigow, das Fürstentum Perejaslawl, das Fürstentum Smolensk, das Fürstentum Polozk, das Fürstentum Turow-Pinsk, das Fürstentum Wladimir-Susdal, das Fürstentum Rjasan und Galizien-Wolhynien sowie das Nowgoroder Land. Laut der Nestorchronik gab es im 12. Jahrhundert im Kiewer Reich mehr als 100 Städte sowie eine Gesamtbevölkerung von vier bis neun Millionen Menschen.

Mongolensturm aus dem Osten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Teilfürstentümer der Rus 1237 zu Beginn des Mongolensturms
Die Zerstrittenheit der russischen Fürsten erleichterte die Eroberung des Gebietes durch das Mongolische Reich aus der ostasiatischen Steppe, die Mongolische Invasion der Rus, auch „Mongolensturm“ genannt. Zunächst wurden sie in den 1220er Jahren von einem Heer zweier mongolischer Generäle von Dschingis Khan, Jebe und Subutai, die gerade von einem Feldzug gegen den Naimanenprinz Kütschlüg, Herrscher dessen, was vom Reich der Kara-Kitai übrig geblieben war und in die Mongolei zurückkehrten, in der Schlacht an der Kalka vernichtend geschlagen. Weiters kam es zu Plünderungen russischer Städte.[8]

Den Fürsten blieb auch verborgen, dass die Mongolen nach Dschingis Khans Tod 1227 seinen Sohn Ögädäi zum Großkhan gewählt hatten und auf seiner 1235 in Qara Qorom, dem Sitz des Herrschers, abgehaltenen Reichsversammlung unter anderem ein Angriff gegen den Westen beschlossen wurde. Zum Feldherren wurde ein Enkel Dschingis Khans, Bātŭ, bestimmt. Nach längerer Vorbereitung begann der mongolische Vormarsch. Als erste fielen ihnen die Wolgabulgaren zum Opfer, deren Reich um Kasan an der mittleren Wolga als Handelsumschlagsplatz eine bedeutende Rolle besaß. Im Winter 1237/38 drangen die Mongolen in die Fürstentümer Rjasan, Wladimir und Susdal ein. Hier kamen der Großfürst Jurij II. und alle seine Söhne um. Bātŭ rückte bis vor Toržak im Grenzgebiet Novgorods, kehrte aber um, als Tauwetter die Wege in Sümpfe verwandelte. Dadurch blieben Novgorod und die nordwestlichen Fürstentümer verschont. Bātŭ richtete sich in Sarai an der unteren Wolga eine Residenz ein und unternahm von dort aus Vorstöße gegen die südöstlichen Fürstentümer. 1239 fielen Černigov und Perejaslavl, am 6. Dezember 1240 die alte Reichshauptstadt Kiew.[18] In schnellem Vorstoß durchstreiften die Mongolen die südwestlichen Fürstentümer der Rus, drangen in Polen ein, nahmen Krakau, verwüsteten Breslau und zogen von dort weiter nach Ungarn. Während der Mongolenvorstoß für die Länder Polen, Böhmen und Ungarn eine Episode blieb, bedeutete er für die Fürstentümer der Kiewer Rus die dauerhafte Unterwerfung unter mongolische Herrschaft. Zugleich löste der Mongolensturm und die ständige Bedrohung der steppennahen ostslawischen Bauernsiedlungen eine schrittweise Siedlungsverlagerung aus, das heißt eine Rückverlegung der bäuerlichen Ansiedlungen aus den Waldsteppenzonen im Süden und eine Wanderungsbewegung in die nördliche Taiga.

Mongolenherrschaft und Kampf um die Herrschaft der Rus (1240–1547)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Reich der Goldenen Horde im Jahr 1389. Sarai ist als Stern markiert. Der hellgelbe Bereich markiert das Fürstentum Moskau, als tributpflichtiger Vasall der Goldenen Horde
Mit der Aufrichtung der Mongolenherrschaft tritt Osteuropa von 1240 bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts in eine Übergangsphase seiner Geschichte ein, die als „dunkles“ Zeitalter bezeichnet wird.[19] Die russische Nationalhistoriographie bewertet diese Zeit negativ. Die mongolische Fremdherrschaft führte demnach für zwei Jahrhunderte zu einem Abbruch der Beziehungen zum Westen und förderte die Abkapselung des orthodoxen Russlands.[20] Die russischen Fürstentümer lagen im Machtbereich der Goldenen Horde, konnten jedoch eine gewisse innere Autonomie bewahren. Derweil mussten sich die russischen Fürstentümer im Norden und Westen Angriffen von Schweden, Ordensrittern und Litauern erwehren. Unter den zersplitterten und verfeindeten russischen Fürstentümern erwies sich das kleine und unbedeutende Fürstentum Moskau als das durchsetzungsstärkste, löste die Mongolenherrschaft und eroberte Schritt für Schritt die verlorengegangenen russischen Länder zurück.

Die russischen Fürstentümer unter „tatarischem Joch“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Osteuropa gehörte nun zum Machtbereich der Blauen Horde, die in der Kyptschak-Steppe nördlich des Kaspischen und des Schwarzen Meeres nomadisierte und deren Khan in Sarai an der unteren Wolga residierte. Ostslawen und Westeuropäer benutzen hierfür die Bezeichnung Goldene Horde als Sinnbild des Goldgeschmückten Zeltes, dem Palast der Khane. Nominell unterstand der Khan der Goldenen Horde dem Groß-Khan im fernen Karakorum. Die Goldene Horde löste sich später zunehmend vom Gesamtkhanat ab. Die ostslawischen Fürsten hatten es daher vornehmlich mit dem jeweiligen Khan der Goldenen Horde zu tun.

Die Form der Herrschaft über die russischen Fürstentümer war eine lockere. Ein gewisses Maß an Autonomie blieb bestehen, solange die russischen Fürsten den Grundpflichten nachkamen.[21] Die Fürsten mussten Tribut liefern und Hilfstruppen bereitstellen. Wurde dies unterlassen, folgten verheerende Straffeldzüge sobald die Mongolen Widerstand und Ungehorsam entdeckten. Nicht selten bedienten sich russische Fürsten der mongolischen Militärhilfe bei Auseinandersetzungen mit ihren jeweiligen Nachbarn, die teils ihre Verwandten waren.


Ein Baskake der Horde in einer russischen Stadt
Ein wichtiger Faktor der Herrschaft bildete der Großfürstentitel. Die Mongolen bestimmten aus den Fürsten einen ersten, der für die Eintreibung des Tributs verantwortlich wurde. Als Großfürst setzte der Khan stets einen Mann seines Vertrauens ein. In der Vergabe des Großfürstenamtes – des „Ältesten im ganzen russischen Volk“ – halten sie sich anfangs an die traditionelle Senioratsordnung. Dem Khan hatten die Anwärter auf die Großfürstenwürde durch persönliche Reise nach Sarai zu huldigen, um die Ernennung aus seiner Hand durch eine Gnadenurkunde (Jarlyk) entgegenzunehmen. Dadurch, dass immer nur der Stärkste unter den Fürsten Großfürst wurde, war auch keine Erbfolge möglich.
Die Herrschaftssicherung vollzog sich durch die Entsendung von so genannten Baskaken, zu Deutsch: Presser, als Beobachter an den Fürstenhöfen, die dem Khan über die politischen Vorgänge auf dem Laufenden hielten und mangelndes Wohlverhalten unverzüglich nach Sirai meldeten. Aufrührerische Fürsten wurden dann entweder vom Khan nach Sirai befohlen oder durch eine Strafexpedition tatarischer Truppen zur Folgsamkeit gezwungen.
Die orthodoxe Kirche stellte einen weiteren machtstabilisierenden Faktor dar, da die Khane nicht in die religiösen Angelegenheiten eingriffen. Weitergehende Kontrollmaßnahmen waren nicht notwendig, da die russischen Fürsten einander misstrauten und es eine allgemeine Uneinigkeit der russischen Fürsten gab, was zu Intrigen und Anschwärzungen beim Khan durch russische Fürsten führte.
Nach dem Fall Kiews entstanden in den bisherigen Randgebieten neue bedeutende Machtzentren. Diese neuen Gebietszentren begannen sich unabhängig voneinander zu entwickeln und danach zu streben, die benachbarten Kleinfürstentümer wirtschaftlich, politisch und kulturell an sich zu binden. In den Umgruppierungsprozess der sich anschloss, taten sich vier Zentren hervor:

im äußersten Süd-Westen entstand das Galizische Fürstentum, das sich von den nördlichen Hängen der Karpaten über das heutige Ostgalizien und Wolhynien erstreckte. Der Papst übertrug den Fürsten die Königskrone. Dieses Königreich bestand bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts und zog das Fürstentum Turow-Pinsk, das Fürstentum Kiew und das Fürstentum Tschernigow in seinen Herrschaftsbereich. Es bildete den Grundstein für die spätere ukrainische Volksgruppe.[22]
Im nordwestlichen Teil Altrusslands begann das Fürstentum Smolensk Zentralisierungstendenzen geltend zu machen. Sein westlicher Nachbar – das Fürstentum Polazk – leistete ihm keinen Widerstand. Hier bildete sich allmählich die belorussische Volksgruppe heraus, die im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts von Litauen inkorporiert wurde.
Im Norden lag das dritte Zentrum, die Freistadt Nowgorod, mit einem ausgedehnten Landbesitz in Nordrussland vom Ladogasee bis zum Weißen Meer und an die nördlichen Ausläufer des Urals hin. Nowgorod stand in enger Verbindung mit den autonomen Republiken Pskow im Westen und Kirow im Osten. Den Handelsrepubliken gelang es ihre Unabhängigkeit zu wahren. Aufgrund der engen Handelsbeziehungen Nowgorods mit dem Westen blieb die Stadt uninteressiert an den innerrussischen Verhältnissen.
Im Osten hatte, durch große Urwälder vom südlichen und westlichen russischen Land getrennt, das Fürstentum Wladimir-Susdal schon vor der Tatareninvasion zu bedeutender Macht gelangen können.[23] Ihre Fürsten erkannten die Oberherrschaft der Tataren an und suchten sich selbst eine begünstigende Stellung als Großfürsten in der Goldenen Horde zu sichern. Das Fürstentum zersplitterte zu Beginn des 14. Jahrhunderts wegen fehlender Herrschernachfolge in mehrere Teilfürstentümer: Perejaslawl, Rostow, Susdal, Jaroslawl, Moskau und Twer. Die Großfürsten von Wladimir residierten aber nicht in Wladimir, sondern dort, wo sie jeweils ihr Vatererbe hatten; das heißt ihre Herrschaft beschränkte sich auf das Territorium ihres eigenen Teilfürstentums. Dies war zuerst Twer und wechselte (auch institutionell) langsam nach Moskau. Dieses hegte später den Anspruch, alle Gebiete des ehemaligen Großfürstentums Vladimir seien das Vatererbe (votcina) des Moskauer Herrschers.
Abwehrkämpfe gegen Schweden und Deutschen Orden im Norden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Alexander Newski im Kampf gegen die Schweden, a.D. 1240
Im Norden war die Durchdringung der mongolischen Herrschaft am geringsten, so dass sich hier das Zentrum des antimongolischen Widerstands bildete. Rasch wechselnde Machtgefüge zwischen den einzelnen Rus-Fürstentümern und äußere Angriffe brachten die Nord-Ost-Rus im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts an den Rand des Abgrundes.[24]

Bedingt durch die Schwäche der gesamten Rus infolge der Mongoleneinfälle wurde der Norden durch Angriffe auswärtiger Mächte bedroht, die ihrerseits Nutzen aus dieser Situation ziehen wollten. Dies betraf vor allem die Republik Nowgorod, die ihre Unabhängigkeit behaupten musste. Unter Führung von Alexander Newski konnte Nowgorod erfolgreich Gebietsansprüche Schwedens und des Deutschen Ordens abwehren:

Die politischen Ziele, welche die Schweden zu diesem Heerzug veranlassten, sind in der Geschichtsforschung umstritten. Ein Erklärungsansatz lautet, dass die Schweden die Mündung an der Newa erobern wollten, um damit die politische und ökonomische Kontrolle über den lukrativen Ostseehandel der Rus zu gewinnen. Eine andere Erklärung ist, dass hinter den Schweden der Papst stand, der auch von Norden her die Kirchenunion wollte und dies nach der Niederlage noch einmal mit dem Deutschen Orden versuchte. In der Schlacht an der Newa schlug das zahlenmäßig unterlegene Heer von Alexander Newski (seit 1236 Fürst von Nowgorod) am 15. Juli 1240 das Heer der Schweden und sicherte damit die Nordgrenze. Letztlich stand diese Schlacht in einer langen Reihe von Konflikten um den Einfluss von Karelien und Finnland zwischen Schweden und Nowgorod.[25] Eine Grenzfestlegung zwischen Schweden und Nowgorod entstand erst 1323. Ein Krieg zwischen Schweden und Nowgorod in den Jahren 1321 und 1322 hatte zu Verhandlungen in Nöteborg, an der Mündung der Neva in die Ladoga geführt (vgl. Vertrag von Nöteborg). Schweden erhielt West-Karelien und Nowgorod erhielt Ingrien und Ladoga-Karelien (Ost-Karelien). Dabei fielen nordöstliche Teile Finnlands an die Republik Nowgorod. Der übrige Teil blieb weiterhin eine Provinz seines westlichen Nachbarn Schweden.
Deutsche Ordensritter eroberten Izborsk und Pleskau, von wo aus sie einzelne Streifzüge bis in die unmittelbare Nähe Nowgorods unternahmen. Die Nowgoroder mussten Alexander Newski, der die Stadt verlassen hatte, weil diese ihm keine politischen Rechte gewährte, zurückholen, als die Ritter angriffen. Als Fürst von Nowgorod hatte er vor allem die Funktion eines Heerführers; die eigentliche Macht lag in den Händen einer Versammlung einflussreicher Bürger und dem Rat der Herren.[26] Auf dem Eis des Peipussees vernichtete er 1242 die Truppen des Deutschen Ordens (siehe Schlacht auf dem Peipussee). Dieser Schlacht kam große Bedeutung zu, weil damit die mittelalterliche deutsche Ostexpansion gestoppt wurde. 1243 schloss der Deutsche Orden und Nowgorod Frieden. Die Deutschritter verzichten ausdrücklich auf künftige Expansionsabsichten im Nowgoroder Gebiet. Der Vertrag bildete für ein Jahrhundert die Grundlage der beiderseitigen Beziehungen und legte die Ostgrenze des Baltikums gegenüber Russland für die Folgezeit fest.
Ein Zusammengehen mit dem Orden hätte zwar eine mögliche schlagkräftige Abwehr gegen die Tataren bedeutet und wurde von westorientierten Bojaren der Stadt auch gefordert. Letztlich konnte auch Newski nichts gegen die Mongolen ausrichten und suchte eine realistische Politik, da von einer dauerhaften mongolischen Bedrohung auszugehen war. Anstatt mit dem Orden zusammenzuarbeiten, hatte er diesen bekämpft und entschied sich nun dazu, mit den Tataren zu kooperieren. Denn mit dem Orden hätte auch der Katholizismus Einzug in die Rus gehalten und die Mongolen waren ihrerseits für die religiöse Toleranz bekannt.[27]

Als Großfürst von Wladimir-Susdal (seit 1252) unterstellte Alexander Newski 1257 den Tataren Nowgorod. Die Stadt Wladimir wird 1263 neues Zentrum des russischen Reiches.[28] So bewahrte er die Nordost-Rus vor schweren Einfällen der Reiternomaden und verschaffte dem Großfürsten zugleich den nötigen Rückhalt gegenüber Groß-Nowgorod und dem Fürstentum Twer, welche Zentren antimongolischer Strömungen waren. Die Autonomie geriet nach seinem Tod wieder in Gefahr, da seine Nachfolger die starke Stellung Newskis nicht halten konnten und ein Machtvakuum schufen. Das Großfürstentum Wladimir-Susdal musste daher zunehmend auf mongolische Truppen gegen die russischen Fürsten (besonders Nowgorod) setzen.

Expansion des Großfürstentums Litauen im Süden und Westen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Aufstieg Litauens zur osteuropäischen Großmacht unter Großfürst Mindaugas I. und seinen Nachfolgern führte auch zur Eroberung von Teilen der Länder der Rus.
Seit der Wende des 12./13. Jahrhunderts wurden die westlichen Teilfürstentümer durch das Großfürstentum Litauen bedroht. Plündernde litauische Streifscharen wurden häufig bei innerrussischen Fürstenfehden als Hilfstruppen ins Land gerufen. Betroffen waren die Teilfürstentümer Polock, Smolensk, Turov-Pinsk und Teile Wolhyniens. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts kam es zu Eheverbindungen zwischen den Familien ostslawischer Dünafürsten und litauischen Fürsten. Eine echte Bedrohung entwickelte sich zwischen 1240 und 1250, als Mindowe die innere Konsolidierung Litauens vollzog und eine Konzeption in die litauischen Expansionsbestrebungen kam. Der teilfürstliche Partikularismus wie auch der beginnende Mongolensturm begünstigten hierbei die expansiven Absichten der litauischen Großfürsten. Litauen war seinerseits durch die Festsetzung des Deutschen Ordens in Preußen als auch in Livland und seit Beginn des 14. Jahrhunderts durch das Erstarken Polens an einer Westexpansion gehindert, so dass die litauischen Großfürsten das entstandene Machtvakuum im Osten ausnutzen mussten.[29]

Nach dem Tode Mindaugas 1263 blieb von den litauischen ostslawischen Erwerbungen nur die Schwarze Rus am oberen Njemen um Grodno und Nowogrodek unter dauernder litauischer Herrschaft. Als am Ende des 13. Jahrhunderts Vytenis die ganze litauische Macht wieder vereinigen konnte, begann die entscheidende Phase der Expansion. Vytenis selber gliederte 1307 Polock endgültig an. Sein Nachfolger Gedimin (1316–1341) dehnte den litauischen Machtbereich bis an den westlichen Bug und über den Prypjat aus und gewann auch an Einfluss in Smolensk. Algirdas (1345–1377) nahm in Konkurrenz mit dem polnischen König Kasimir III. das Fürstentum Galizien-Wolhynien in die Zange und konnte aus den langen Kämpfen mit Polen um die Beute Wolhynien und Ostpodolien einbringen. Mit der Eroberung Kiews und fast des gesamten mittleren Dnepr-Beckens beherrschte er gut 60 Prozent des ehemaligen Kiewer Reiches.[30]

Kampf Moskaus und Twers um die Großfürstenwürde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Im Windschatten dieser Konflikte wurde Moskau, das zu Beginn des 13. Jahrhunderts noch eine unbedeutende Burgstadt war, aber durch einen breiten Gürtel von Waldsümpfen gut geschützt, das vorherrschende Fürstentum. Moskau gewann durch den Erhalt der Großfürstenwürde von Twer und der Verlagerung des Metropolitensitzes nach Moskau den Anspruch legitimer Nachfolger der Kiewer Rus zu sein.

Alexander Newskis jüngster Sohn Daniil Alexandrowitsch bekam von der Goldenen Horde als Lehen das kleine Teilfürstentum Moskau. Als Daniil Alexandrowitsch am 4. März 1303 in Moskau starb, hinterließ er seinem Sohn Juri I. Daniilowitsch ein Herrschaftsgebiet mit noch bescheidenem Umfang. Es umfasste das engere Territorium der Residenzstadt Moskau, dazu die jüngsten Erwerbungen Kolomna, Serpuchow und Gebiete auf dem linken Oka-Ufer sowie das ererbte Pereslawl-Salesski. Unter Juri I. Daniilowitsch erreichte der bereits seit Jahrzehnten spürbare Aufstieg des Fürstentums Moskau eine neue Phase. Bereits zu Anfang der Herrschaft Juri I. Daniilowitschs begann dieser mit der Ausweitung seines Territoriums. 1303 eroberte er das Fürstentum und die strategisch wichtige Festung Moschaisk, wodurch er den gesamten Lauf der Moskwa unter seine Kontrolle brachte. Ein Jahr später bestätigte ihm der Khan der Goldenen Horde den Besitz des Fürstentums Pereslawl-Salesski.


Der unterlegene Michail Jaroslawitsch steht vor Usbek Khan
Die Großfürstenwürde begann am Anfang des 14. Jahrhunderts nach einer Zeit des Niedergangs wieder attraktiver zu werden, weil der Khan mit diesem Titel Recht und Verpflichtung zur Sammlung der zu zahlenden Tribute für das gesamte russische Gebiet übertrug. Dem Großfürsten kamen in diesem System eine Schlüsselstellung und damit eine Machtposition zu, denn damit war, wie einst in Kiew, über ein territorial abgegrenztes Großfürstentum (z. B. des Fürstentums Twer) der Anspruch auf das Gesamte hergestellt: Der Inhaber dieses Titels repräsentierte dann das ganze (Fürstentum) Wladimir, anstatt nur das Territorium des eigenen Teilfürstentums in der Beziehung zu den Tataren. Daran entzündeten sich Auseinandersetzungen Moskaus mit dem Großfürstentum Twer, das bis dahin den Titel der Großfürsten von Wladimir besaß.

Beide Fürstentümer waren zunächst gleich stark in den Machtkampf gestartet. Auch Twer lag zentral und verkehrsgünstig; seine Wälder boten Flüchtlingen Sicherheiten und neue Existenzmöglichkeiten. Beide Residenzstädte waren als befestigte Grenzorte entstanden. 1147 hatte sich Moskau gegen Tschernigow, 1127 Twer gegen Nowgorod gegründet. Als Fürstentümer waren sie noch weit jünger. Das Moskauer Fürstentum trat erst ab den 1290ern als selbständiger politischer Organismus in Erscheinung und damit etwa dreißig Jahre später als das Fürstentum Twer.[31] Dieses hatte bereits 1247 die Großfürstenwürde erhalten. Auch 1304 erhielt Twer nochmals die Großfürstenwürde. Mit dem Machtantritt Khan Özbegs 1314 nutzte Juri I. die Gunst der Stunde und erreichte beim Khan die Absetzung des Großfürsten von Twer. Die Position wurde nun auf Juri I. übertragen, womit zum ersten Mal ein Moskauer Fürst die Großfürstenwürde erhielt. Die Kämpfe hielten während des ersten Viertels des 14. Jahrhunderts an. Twer erhielt 1324 erneut die Großfürstenwürde, doch nach einem Aufstand in Twer verheerte eine großangelegte Strafaktion der Mongolen das Fürstentum Twer. Nutznießer war Moskau, dessen Fürst Iwan Kalita 1328 die Großfürstenwürde erhielt, welche seither der Moskauer Dynastie zukam und nicht mehr erfolgreich angefochten wurde.[32] Moskau konnte sich gegen das Fürstentum Twer vor allem aufgrund der Interessengemeinschaft mit Khan Özbeg durchsetzen, denn Iwan I. garantierte den Mongolen eine verhältnismäßige Ruhe in der Rus, da er als ein zuverlässiger Steuereintreiber der Goldenen Horde fungierte. Das bedeutete, dass Moskau militärisch von den Mongolen geschützt wurde, wenn sich Twer mit Litauen verbündete und einen Angriff auf Moskau begann. Es kam in der Folgezeit zu einer Inflation des Großfürstentitels. So gab es nicht nur den Großfürsten von Wladimir, sondern auch die Großfürsten von Twer, Jaroslawl und Rjasan. Diese Situation entstand, weil es bereits vor den Moskauern andere Großfürsten von Wladimir gegeben hatte und deren Erben ihrem Herrschaftsgebiet den Großfürstentitel hinzugefügt hatten. Um sich einerseits von den anderen zu unterscheiden und sich andererseits rangmäßig über die anderen Großfürsten zu stellen, änderte der Großfürst Iwan I. später seinen Titel in den eines „Großfürsten der ganzen Rus’“ (Velikij knjaz’ vseja Rusi).

Der „Metropolit von Kiew und ganz Russland“, Peter, verlegte 1325/28 seinen Sitz von Wladimir nach Moskau, da der Fürst von Twer ihn als Kandidaten ablehnte. Moskau unterstützte ihn, und so stärkte auch die Kirche unter Peter und seinem Nachfolger Theognost den Rücken des Moskauers. Durch seine Entscheidung hatte er entscheidenden Anteil an der politischen Aufwertung dieses ursprünglich unbedeutenden Fürstensitzes im Nordosten.

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